IT'S NOT OVER TILL IT`S OVER
25.01.2021 - 11.04.2021
CLUB FORTUNA and Maja Štefančíková at Kunstverein Eisenstadt curated by Barbara Horvath & Mária Janušová
„Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist“ ‒ wörtlich genommen handelt es sich um eine Tautologie, die nichts über die Welt aussagt. Den Menschen mitzuteilen, X sei X, liefert keine wirkliche Information. Was die Zeile tut, ist, sie daran zu erinnern, dass es noch Hoffnung gibt. Dass, wenn man sich wirklich bemüht, noch eine Chance auf ein glückliches Ende besteht. Dabei wird das Warten auf das Ende nicht selten zum Teil des Lebens. Die ganze Welt wartet darauf, dass alles wieder normal wird, dass wir wieder reisen können, dass wir uns atmen, riechen, berühren, umarmen, küssen, fühlen können, dass wir zusammen in Cafés, Restaurants, Bars abhängen und bis in den frühen Morgen in einem Club tanzen können. Jeder auf diesem Planeten vermisst das Leben vor der Pandemie. Unsere Freiheit ist weg, und wir wissen nicht, wie wir mit dem Verlust umgehen sollen. Wir leben kein richtiges Leben, wir stecken irgendwo zwischen Zeit und Raum fest, wir sind in einem seltsamen intergalaktischen Vakuum gefangen. Wie Wladimir und Estragon in Samuel Becketts Warten auf Godot warten wir und wissen nicht, ob es das normale Leben jemals wieder geben wird.
In der Ausstellung It’s not overtill it’s over begreifen Club Fortuna und Maja Štefančíková das Warten als Prozess, den wir durchmachen, um zu einem Raum ungeahnter Möglichkeiten zu gelangen, zu einem Freiraum für Reflexion, Kontemplation, ambivalente Gedanken und Gefühle, einem Nicht-Ort geschenkter Zeit. Der Warteraum, den sie dem Kunstverein im Rahmen ihrer Komplizenschaft einverleibt haben, gleicht jenem beim Arzt, im Kran- kenhaus, im Flughafen, auf Bahnhöfen und ist auch als Nicht-Ort im Sinn des französischen Kulturtheoretikers Marc Augé zu verstehen: als Ort, den niemand wirklich mag, der etwas Vorübergehendes hat, identitätslos ist, an dem man einzig darauf wartet, dass etwas geschieht.
Nun aber sind diese meist sehr überfüllten Orte leer. Nicht nur Menschen, auch Warteräume befinden sich in sozialer Isolation. Ohne Menschen sind sie bedeutungslos, weil sie ihren grundlegenden Zweck verloren haben. Wir können beginnen, diesen Räumen, ihren Wänden, Möbeln oder ihrer Dekoration zu zuhören und ihre Einsamkeit und Verlassenheit zu spüren. Sie vermissen uns.
In Zeiten der Pandemie wartet auch der Ausstellungsraum des Kunstvereins Eisenstadt auf Besucher*innen. Auch er ist ein Warteraum, ein altern- der (Raum-)Körper, voll von vergangenen Geschichten und utopischen Vorstellungen für die Zukunft. Die Zeit in ihm kennt keine Geschwindigkeit: Obgleich sich der Sekundenzeiger der Wanduhr stetig vorwärts bewegt, scheint die Zeit nicht messbar. Aber sie ist wahrnehmbar, mitunter physisch erlebbar. Die Künstler*innen interessieren sich einmal mehr für die „tautologische Begegnung“: Die Besucher*innen teilen mit dem Raum die Bereit- schaft, die Zeit der anderen Seite als wertvoll zu akzeptieren. Der Raum begründet sich durch die Anwesenheit von Betrachter*innen; umgekehrt wiederum rechtfertigt sich das Verweilen indiesem Raum durch die Erwartung eines bevorstehenden Ereignisses. Aber auch dieses Ereignis lässt auf sich warten. Oder ist man selbst unvermittelt Teil einer „Situation“ geworden? Ungeduldig klopft man mit der Fußspitze auf den Boden, verstohlen wandert der Blick umher, auf der Suche nach Anhaltspunkten, worum es sich denn handelt, worauf man eigentlich wartet, bis die Finger steinharte- Kaugummis unter den Warteraumstühlen ertasten. Jemand lacht, und alles wirkt mit einem Schlag seltsam komisch.
Text: Barbara Horvath & Mária Janušová
This Episode was realised by Club Fortuna as Xenia Lesniewski, Nana Mandl & Sarah Sternat
Fotos: Alfredo Barsuglia